Zuverlässige Zusammenarbeit, stolzes Ergebnis
Aufgrund abgeschlossener Baumaßnahmen im Norden von Wolfsburg wurde die Forderung der Verkehrsbehörde, dass immer eine Spur für den Schwerlastverkehr freigehalten werden muss, nicht länger aufrechterhalten und es konnten beide Felder eingeschalt werden. Allerdings hatte die statische Überprüfung ergeben, dass hierdurch nicht die Herstellung in zwei Bauabschnitten entfallen kann. Aus der Entwurfsverkehrsführung heraus war die Erstellung des längeren Brückenabschnittes im 1. BA erforderlich. Wegen der deutlich geringeren Verformungsbehinderung durch den Mittelpfeiler gegenüber dem zweiten Widerlager waren bei Eintrag der Vorspannung damit auch die Spannkraftverluste für den Überbau deutlich geringer. Bei der Betonage des Überbaus in einem einzigen Bauabschnitt wären die Spannkraftverluste so groß geworden, dass der Dekompressionsnachweis nicht mehr hätte erfüllt werden können.
Die Bauzeit betrug einschließlich Herstellung der anschließenden Geh- und Radwege sowie der Rampenbauwerke für den Geh- und Radverkehr etwa ein Jahr. Am 10. September 2021 wurde die Brücke feierlich für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Die Baukosten beliefen sich inklusive der anschließenden Geh- und Radwege sowie Rampenbauwerke auf etwa 3,5 Millionen Euro. Lindschulte als Planer der gesamten Maßnahme rund um das BW 16 bei Wolfsburg bedankt sich bei allen Partnern für die zuverlässige Zusammenarbeit – gemeinsam gelang der Brückenschlag zwischen den Wolfsburger Stadtteilen Westhagen und Detmerode.
Geometrie als Herausforderung
Eine besondere Herausforderung in der Konstruktion stellte die gewählte Geometrie des Mittelpfeilers dar. Der Pfeiler besteht aus sich verändernden Ellipsen. Die Hauptausrichtung ist in Brückenquerrichtung, um dem Lastfall Anprall abdecken zu können. Ab ca. der halben Höhe entwickelt sich aus der ersten Ellipse eine zweite um 90° gedrehte Ellipse, so dass am Anschnitt des Überbaus ein Kleeblatt entsteht.
Der Grundgedanke der Pfeilergestaltung lag in dem angrenzenden Wald mit dem Laubbaumbestand begründet. Unten ist der Pfeiler breit, wie die Wurzelansätze eines Baumes. Nach oben verjüngt sich der Pfeiler und fächert sich dann oben auf. Auf den aufgefächerten Pfeiler legt sich der Überbau.
Der Pfeiler wurde aufgrund der komplexen Geometrie vollständig 3D konstruiert und bewehrt. In der 3D-Konstruktion stellte sich insbesondere der fließende Anschluss oben an die schräge Unterseite des Überbaus an den Pfeiler als schwierig dar, da hier die üblichen Zeichenroutinen für 3D-Körper nicht zum gewünschten Erfolg führten. Zusammen mit dem Programmentwickler konnte letztlich die Lösung gefunden werden.
Konstruktiv weniger anspruchsvoll waren die Widerlager. Hier wurden jedoch hohe Ansprüche an die Schalungstechnik und Betontechnologie gestellt. Durch die großen Fenster musste eine ordnungsgemäße Verdichtung des Betons unterhalb der Fenster sichergestellt werden; außerdem ein entsprechend hoher Betondruck als Auftrieb für die Aussparungskörper der Schalung berücksichtigt werden.
Planung – auf die Details kommt es an
Die statische Berechnung erfolgte auf Grundlage der Richtlinie für integrale Bauwerke (RE-ING) mit den dort genannten Ansätzen für die vertikale und horizontale Bettung. Das Bauwerk ist mit einer Gesamtstützweite von 50 m und unsymmetrischen Stützweiten in die Anforderungsklasse 4 gemäß Richtline einzustufen. Es mussten somit die spezifischen Mindestanforderungen für integrale Mehrfeldrahmen eingehalten werden. Insbesondere war eine enge Abstimmung mit dem Bodengutachter für die Ansätze der Bettung in horizontaler und vertikaler Richtung erforderlich.
Eine besondere Herausforderung bei vorgespannten integralen Bauwerken ist die Wahl der Gründung. Aufgrund der geringen Höhe der Widerlager mit der verhältnismäßig langen Bauweise entstehen sehr steife Widerlager. Dies führt dazu, dass bei hoher horizontaler Bettung ein großer Anteil der Vorspannung direkt in den Baugrund eingeleitet wird und nicht als Normalkraft für den Überbau zur Verfügung steht. Außerdem verkippt die Vorspannung mit ihrem Lastangriff in Höhe des Überbaus die Gründungelemente ungünstig für die Grundbaunachweise „Klaffende Fuge“ und „Grundbruchsicherheit“. Dies führt zu einer Abhängigkeit zwischen der Vorspannkraft des Überbaus und der Gründungsgeometrie.
Für ein vorgespanntes integrales Bauwerk sind weiche, hohe Widerlager zu bevorzugen, da so die Spannkraftverluste reduziert werden können. Dies ließ sich aber aufgrund der Zwangspunkte durch die angrenzenden Rampenbauwerke sowie den fehlenden Platz für zusätzliche Rampen nicht umsetzen.
Gemäß der Richtlinie für integrale Bauwerke ist für die horizontale Bettung sowohl der untere Grenzwert (0,5-facher Wert vertikale Bettung), als auch der obere Grenzwert (2,0-facher Wert der vertikalen Bettung) abzudecken. Um die geforderten Grenzwerte unter Beibehaltung der geforderten Geometrie einhalten zu können, wurden unter den Widerlagern die Größen der Fundamentplatten optimiert, um den horizontalen Bettungswiderstand zu reduzieren und so gleichzeitig die Nachweise des Grundbaus und der Dekompression des Überbaus zu erfüllen.
Die Brücke wurde als integrales Stabwerk mit den beiden Bauabschnitten modelliert. Die Geometrie der Widerlager und des Pfeilers wurde dabei durch äquivalente Stäbe gleichwertiger Steifigkeit angenähert und die Bodenbettung über Linienfedern dargestellt.
Brücken verbinden – dank ihnen überwinden wir Hindernisse und schaffen Verbindungen: Einen solchen Brückenschlag hat Lindschulte mit einer neuen Fuß- und Radwegbrücke in Wolfsburg geschaffen. Geplant wurde das barrierefreie Bauwerk als integrale Spannbetonbrücke von unserem Büro in Hannover. Die Radwegbrücke sichert eine notwendige und viel genutzte Verbindung zwischen den Stadtteilen Westhagen und Detmerode in Wolfsburg.
Neben der Bauwerksplanung war Lindschulte zuständig für die Verkehrsplanung der zuführenden Radwege, die Bauzeit betrug rund zwölf Monate.
Das neue Brückenbauwerk ist das Eingangstor zur Stadt Wolfsburg – diese Funktion wurde auch bei der Gestaltung berücksichtigt. Dazu hat man sich intensiv mit dem städtischen Gestaltungsbeirat abgestimmt. Insgesamt ist das Bauwerk sehr filigran ausgeführt und erinnert an die Fensterform eines bekannten Fahrzeugs der 50er Jahre aus Wolfsburg. Eine absolut standortgerechte und standortmarkante Gestaltung!
Höchste technische Anforderungen, städtebaulicher Akzent
Ein stetig wachsender Bedarf an Automobilen, der unmittelbar damit verbundene Ausbau des VW-Werks und die gleichzeitige Vergrößerung der Stadt Wolfsburg. Die Stadt und die umliegende Region erleben einen stetigen Wandel. Als sichere und einfache Verbindung von Stadtteilen und Naherholungsgebieten wurde bereits zur Entstehungszeit eine Brücke geplant, genauer: eine vorgespannte Stahlbetonbrücke für den Fuß- und Radverkehr.
Anfang Oktober 2015 sackte plötzlich das Mittelfeld durch. Ursächlich waren wohl korrodierte und gerissene Spannglieder. Die Brücke musste wegen der verkehrlichen Bedeutung der „Braunschweiger Straße“ für Wolfsburg sofort abgerissen werden, das Einsturzrisiko war zu hoch. Eile war geboten, eine genauere Untersuchung der Schadensursache konnte nicht stattfinden.
Im Juni 2016 bekam Lindschulte aus Hannover den Auftrag, mehrere Varianten für eine neue Querung der „Braunschweiger Straße“ zu untersuchen. Hierbei sollte die Brücke sowohl die heutigen technischen Anforderungen erfüllen wie auch einen städtebaulichen Akzent setzen.
Vier Varianten entworfen
Entworfen haben die Ingenieure von Lindschulte vier Varianten und diese hinsichtlich der Kosten, der Bauzeit, der Auswirkungen auf den Verkehr sowie der Risiken beim Bauen bewertet.
Das Bauwerk hat eine zentrale Knotenfunktion im Radwegweisungsnetz zur Erschließung der Stadtteile Westhagen und Detmerode mit dem Stadtzentrum.
Das Bauwerk liegt in einem Einschnitt. Es sind somit keine großen Rampenbauwerke erforderlich. Die lichte Durchfahrtshöhe muss mindestens 4,70 m betragen. Es war somit klar, dass das Bauwerk einen Stich nach oben erhalten wird. Durch die maximale Rampenneigung von 6 % sollte der Stich moderat ausfallen.
Sämtliche Bestandsbrücken im Zuge der „Braunschweiger Straße“ wurden in der Spannbetonbauweise ausgeführt. Hierbei weisen insbesondere die Fußgängerbrücken eine für die damalige Zeit bekannte schlanke Bauweise auf.
Wolfsburg gehört neben Hannover und Göttingen zu den drei Metropolregionen in Niedersachsen. Wirtschaftlich und städtebaulich vollzieht Wolfsburg in den letzten Jahren einen Wandel von einer Arbeiterstadt für VW zu einer modernen Stadt mit einer Gründerszene und vielen verschiedenen Dienstleistern. Dies sollte sich auch im Bauwerk widerspiegeln.
Aus diesen grundsätzlichen Entwurfsgedanken wurden die vier Varianten entwickelt. Nach den Plänen von Lindschulte sollte eine Brücke mit innovativen Bauweisen, modernen und doch zeitlosen Formen und mit fließenden Übergängen in die angrenzenden Landschaftsschutzgebiete entstehen. Durchgesetzt hat sich die integrale Spannbetonbrücke.
Hier wurde bewusst der vorherrschende Baustoff Beton aufgenommen. Bauartbedingt führen Betonkonstruktionen nach heutigem Regelwerk zu relativ dicken Bauteilabmessungen oder vielen Stützungen. Der Entwurf sollte zeigen, dass auch mit heutigen Bemessungsansätzen ein schlankes Brückenbauwerk gestaltet werden kann.
Hierzu wurde ein integrales, vorgespanntes Bauwerk entworfen, dass sich fließend in die vorhandene flache Böschung schmiegt. Um die fließende Form wieder aufzunehmen, wurde auch der Mittelpfeiler gekrümmt ausgeführt. Wie ein Baum des angrenzenden Waldes trägt der Mittelpfeiler den Überbau.
Durch den Entwurfsgedanken entstanden zwei Bögen, die die beiden Stadtteile miteinander verbinden. In ihrer Optik ähneln sie den Rückfenstern des ersten VW Käfers. Als starker Kontrast dazu wurden moderne Formen und durch die Gestaltung des Geländers mit der integrierten Beleuchtung ein neuer, innovativer Ansatz verfolgt. Somit wurde auch ein geschichtlicher Bogen von den Anfängen Wolfsburgs zur modernen Stadt von heute geschlagen.
Erinnerung an Bauwerke der 60er Jahre
Ziel der Planer und Ingenieure von Lindschulte war es, ein Bauwerk zu schaffen, dass ähnlich schlank wie die früheren Bauwerke aus den 60er Jahren war, aber dem heutigen Regelwerk mit den höheren Anforderungen an die Dauerhaftigkeit entspricht.
Der Überbau wird monolithisch mit den aufgelösten Widerlagern und dem Mittelpfeiler verbunden. Die Unterbauten sind flach gegründet. Die Breite des Bauwerks wurde so gewählt, dass sich der gemeinsame Rad- und Fußverkehr gemäß der Empfehlung für das Anlegen von Radverkehrsanlagen (ERA) auf der Brücke umsetzen ließ. Vor und hinter dem Bauwerk schließen breite Geh- und Radweg zur getrennten Führung der Verkehre an. Der Querschnitt wurde als einstegiger, vorgespannter Plattenbalken mit Kragarmen geplant.
Die Geländer müssen für Radverkehre eine Mindesthöhe von 1,30 m aufweisen. Dies führt in der Regel zu unschönen Tunneleffekten insbesondere bei verhältnismäßig schmalen Brücken. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, wurde eine horizontale Gliederung der Absturzsicherung vorgesehen und zum anderen wurde die Beleuchtung der Brücke in den Handlauf integriert.
Durch die horizontale Gliederung des Geländers musste die Übersteigsicherheit gewährleistet werden. Sichergestellt wurde dies durch eine Neigung des Geländers nach innen. Da sich die Brücke im Zuge eines Schulweges befindet, musste die Ausführung zudem sicher vor Vandalismus ausgeführt werden.
Um eine gezielte Entwässerung sicherzustellen und so zu verhindern, dass sich unschöne Laufnasen durch das Entwässern des Überbaus über den Brückenrand ausbilden, wurde beidseitig eine Linienentwässerung vorgesehen, die an den Überbauenden über das Widerlager den Straßenseitengräben zugeführt wird.
Seitens der Verkehrsbehörde wurde aufgrund paralleler Baustellen im Norden von Wolfsburg gefordert, dass die „Braunschweiger Straße“ immer für den Schwerlastverkehr passierbar sein muss. Durch die Ausführung als integrales Rahmenbauwerk konnte der Überbau nicht in überhöhter Lage hergestellt werden. Aus diesem Grund wurde die Ausführung in zwei Bauabschnitten mit einer Koppelfuge geplant. So konnte der Verkehr in einer 4+0 Verkehrsführung jeweils wechselseitig an der Baustelle vorbeigeführt werden. Das Traggerüst musste so geplant werden, dass die Zu- und Abfahrten mit den Bushaltestellen mit einer lichten Höhe von min. 3,50 m angefahren werden konnten.
Bauablauf
- Herstellung des Mittelpfeilers in einer Inselbaustelle bis Unterkante Überbau
- Herstellung der Widerlager Süd und Nord bis Unterkante Überbau
- Herstellung des nördlichen Hauptfeldes des Überbaus in einem Traggerüst
- Verlegung des Verkehrs in einer 4+0 Verkehrsführung auf die Südseite
- Umlegung des Verkehrs auf die Nordseite und Herstellung des südlichen Hauptfeldes des Überbaus im Traggerüst
- Herstellung der Überbauausstattung mit der Abdichtung und dem Geländer