Kanalsanierung Talgraben in Berlin
„Wasserwirtschaftliche Projekte erscheinen auf den ersten Blick oft nicht so spektakulär wie die eindrucksvollen Hochbauten, die vielerorts aus dem Boden schießen. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man die Faszination und technische Komplexität…“
Marc-Christian Vrielink ist seit 2005 Geschäftsführer der LINDSCHULTE Ingenieurgesellschaft. Aus seiner Perspektive gehört die Kanalsanierung Talgraben in Berlin mit zu den spannendsten Projekten der vergangenen Jahre.
Der Talgraben ist ein verrohrtes Gewässer II. Ordnung im Ortsteil Schmargendorf, Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf in Berlin und verbindet die beiden Gewässer Fennsee und Hubertussee als Teil der Grunewaldseenkette. Die Gesamtlänge beträgt 1.895 m, aufgeteilt auf 35 Haltungen und 34 Schachtbauwerke. Das Profil besteht aus einem gestürzten Eiprofil aus Beton mit den Abmessungen 700/1050. Gebaut wurde das Linienbauwerk Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Kanalsaniering Talgraben in Berlin gehört zu den spannendsten Projekten der vergangenen Jahre.
Echte Herausforderung
Das verrohrte Gewässer liegt unterhalb von Stadtstraßen von Wohngebieten, unterhalb von Sportstätten, unterhalb der Verkehrsflächen der A 100 und des Abzweiges Steglitz sowie unterhalb einer mehrgleisigen DB-Strecke in Tiefenlagen von teilweise bis zu 20 Metern. Es fungiert als unterirdische Verbindung zwischen dem Hubertussee und dem Fennsee und bildet somit ein zentrales Bauteil für den Wasserkreislauf in der Seenkette von der Havel zur Spree. Im Auslaufbauwerk des Talgrabens am Hubertussee befindet sich die Pumpstation Hubertussee, die Wasser aus dem Hubertussee entgegen der natürlichen Fließrichtung in den Fennsee befördert. Durch eine Stauschwelle in der Pumpstation Hubertussee steht der Talgraben permanent im Rückstau des Fennsees.
Zusätzlich zur Verbindungsfunktion dient der Talgraben der Aufnahme und Ableitung von Oberflächenwasser aus dem Stadtgebiet, dem Stadienbereich und der Autobahn, welches über die Peripherienetze der Berliner Wasserbetriebe zugeführt wird.
Der Talgraben weist über seine komplette Länge Baumängel in Form von Längsrissbildungen und mechanischem Verschleiß auf. Die Überbauung und Überschüttung nach dem Krieg mag ohne Nachweis des Altrohres erfolgt sein. Aus diesem Grund ist eine ganzheitliche Sanierung unter Berücksichtigung der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der betrieblichen Anforderungen an den Abwasserkanal sowie des Schutzes noch erhaltenswerter Kanalsubstanz vorgesehen.
Klares Ziel
Zielsetzung des Projektes ist eine dauerhafte Sanierung des Talgrabens mit eindeutiger Verbesserung der baulichen Gesamtsituation, um in den nächsten Jahrzehnten eine wirtschaftliche Nutzung des Entwässerungssystems mit geringem Unterhaltungsaufwand gewährleisten zu können.
Um den Bauzustand des Talgrabens bewerten und den erforderlichen Sanierungsumfang erarbeiten zu können, wurden TV-Inspektionsergebnisse der Haltungen und Schachtbauwerke aus den Jahren 2005 und 2011 ausgewertet. Auf Grundlage dieser Auswertungen wurden verschiedene Sanierungsvarianten erarbeitet und deren technische und wirtschaftliche Vor- und Nachteile formuliert. Die hydraulische Situation des Talgrabens wurde bei der Bewertung der Sanierungsvarianten berücksichtigt.
Nutzwertanalyse und Risikoabschätzung
Der Talgraben kann aufgrund seiner Charakteristik nicht als StandardLinienbauwerk bezeichnet werden. Mit seiner ungewöhnlichen Eigenschaft als gestürztes Eiprofil, der Tiefenlage von bis zu 20 Metern, einer schwer zugängigen topographischen Lage teilweise unterhalb sportlich genutzter Stadien und im Bereich des Wilmersdorfer Autobahnkreuzes und einer in Teilbereichen großen Zulaufmenge (mehrere Hundert Liter pro Sekunde) an Oberflächenwasser von angeschlossenen Teilnetzen im Regenfall sind spezielle Bedingungen gegeben, die eine besondere Betrachtungsweise erfordern und somit eine überaus anspruchsvolle Aufgabe darstellen. Die Sanierungsmöglichkeiten sind aus den genannten Gründen unter Berücksichtigung der auftretenden Schadensbilder eingeschränkt. Hinzu kommt, dass die hydraulische Situation eine Sanierung mit Kreisprofilen und der damit einhergehenden massiven Querschnittsreduzierung ausschließt. Dies konnte durch einen durch die LINDSCHULTE Ingenieurgesellschaft geführten hydraulischen Nachweis einzelner Sanierungsvarianten nachgewiesen werden.
Für die Sanierung des Talgrabens bietet sich unter Berücksichtigung aller relevanten Einflussgrößen die Renovierung in geschlossener Bauweise als zielführende Bauweise an. Um über eine Entscheidungshilfe für die Bewertung der einzelnen Sanierungsverfahren der Renovierung zu verfügen, wurde von LINDSCHULTE eine Nutzwertanalyse aufgestellt. Zusätzlich zur Nutzwertanalyse wurde eine Risikoabschätzung bei einem Starkniederschlagsereignis in Abhängigkeit des Sanierungsverfahrens durchgeführt. Dabei wurde das Thema Nutzungseinschränkung und Abwasserfreihaltung und damit verbunden das Materialverlustrisiko und das Personengefährdungsrisiko näher betrachtet. Die Auswertung führte zu dem Ergebnis, dass das Schlauchliningverfahren als Vorzugsvariante zu bewerten ist.
Anspruchsvolle Verhältnisse
Die Talgrabentrasse kann grundsätzlich in zwei Abschnitte eingeteilt werden. Die Haltungen des Abschnitts 1 zwischen Hubertussee und Wilmersdorfer Eisstadion liegen im öffentlichen Verkehrsraum in einer Tiefenlage bis 10 Meter. In Abschnitt 2 zwischen Wilmersdorfer Eisstadion und Fennsee sind die Zufahrtsmöglichkeiten durch die Stadien- und Autobahnsituation sehr begrenzt, die Tiefenlage des Kanals beträgt bis zu 20 Meter. Aus Gründen der erschwerten Randbedingungen ist eine sorgfältige Ausführungsund Bedarfsplanung angezeigt. Insbesondere die sich ergebenden großen Sanierungslängen, die bis zu 300 Meter betragen können sowie die erforderlichen Baustelleneinrichtungsflächen und die daraus resultierenden Verkehrssicherungsmaßnahmen im Stadt- und Autobahnbereich sind detailliert festzulegen. Für die Bereitstellung von Baustelleneinrichtungsflächen ist ein Eingriff in Natur und Landschaft sowie das Rückbauen von Zäunen, Toren und anderen Hindernissen unumgänglich. Darüber hinaus erfordern die teilweise hohen seitlichen Zuflussmengen zum Talgraben eine dezidierte Vorflutsicherung während der Bauarbeiten.
Geschlossene Sanierung mit Schlauchlining-Verfahren
Die geschlossene Sanierung besteht aus den Reinigungs- und Inspektionsarbeiten, den Vorarbeiten zum Linereinbau, der Linersanierung sowie den Nacharbeiten wie das Öffnen von Zuläufen und Anbinden der Liner an die Schächte. Schachtsanierungsarbeiten werden hauptsächlich in Form von Beschichtungsarbeiten im Bereich der Unterteile durchgeführt.
Neben den geschlossenen Sanierungsmaßnahmen sind auch einige Neubaumaßnahmen vorgesehen. Der Neubau von zwei bis zu 17,50 Meter tiefen Schachtbauwerken dient der besseren zukünftigen Erreichbarkeit und Unterhaltung des Talgrabens. Zusätzlich werden an zwei bestehenden Schächten Treppenanlagen in Böschungsbereichen hergestellt. Da das Einlaufbauwerk am Fennsee abgängig ist, werden hier zwei neue Flügelwände mit Dammbalkenverschluss errichtet.