CAD für Ingenieure – ein Rückblick
Der Tag, als Heinrich Lindschulte die Reißbretter versteckte
Eine Kombination aus modernster Technik und hochqualifizierten Mitarbeitern bescherte LINDSCHULTE schon früh Wettbewerbsvorteile. Der Einzug der ersten Zeichenmaschinen gestaltete sich dennoch nicht ganz unproblematisch, denn einige Mitarbeiter wollten nur ungern auf ihre bewährten Zeichenbretter verzichten. Gut, dass die Geschäftsführung den Umbruch damals dennoch vorantrieb; denn wie wir mittlerweile wissen, ließ und lässt sich die Digitalisierung nicht aufhalten. Zum 50. Jubiläum von LINDSCHULTE werfen wir einen Blick auf die CAD-Technik und ihre Anfänge.
Computer-aided design (CAD) lässt sich auf Deutsch mit dem Begriff „rechnerunterstütztes Konstruieren“ übersetzen und bezeichnet das Erzeugen und Verarbeiten eines geometrischen Modells mittels EDV. Die Systeme können für den Entwurf und die Berechnung von Objekten sowie für die Dokumentation und Speicherung von Konstruktionszeichnungen eingesetzt werden und gehören heute zu den wichtigsten Werkzeugen für Ingenieure, Konstrukteure und Statiker.
CAD-Systeme sind vektororientiert. Das bedeutet, dass sich die geometrischen Objekte auf Linien und Punkte zurückführen lassen und so vollständig charakterisiert werden können. Die hochpräzisen Darstellungen vermitteln allen am Projekt beteiligten Personen eine detaillierte Vorstellung und reduzieren so auch Verständnisprobleme im Planungsprozess. Die Wurzeln der Technologie reichen zurück bis in die Sechzigerjahre.
CAD der ersten Generation
Im Jahr 1962 schrieb der amerikanische Student Ivan Sutherland am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) seine Doktorarbeit – im Zuge dessen entwickelte er das Programm Sketchpad. Heute wird Sutherland auf Basis dieser Entwicklung als einer der Pioniere der Computergrafik gefeiert. Dieser Meilenstein gilt als Beginn des Zeitalters von graphischen Schnittstellen und CAD. Während in den meisten Büros maximal Lochkartenrechner verwendet wurden, arbeitete Sketchpad bereits mit einem frühen Röhrenbildschirm und gerade erst erfundenen Lichtgriffeln.
Einer der großen Vorteile von Sketchpad: Bei Veränderungen an der zentralen Zeichnung passen sich die daraus abgeleiteten Zeichnungen an. Soll heißen: Sketchpad wies erste objektorientierte Ansätze auf. Zu den praktischen Anwendungen der Lichtgriffel-Röhrenschirm-Kombination gehörte ein nordamerikanisches Programm zur Luftraumüberwachung. Außerdem kam die Technologie beispielsweise bei den frühen Plotter-Anwendungen von Erfinder Konrad Zuse zum Einsatz.
Aufgrund der hohen Anschaffungskosten für Computer und der speziellen technischen Anforderungen wurden die CAD-Systeme der ersten Generation vor allem in der Automobilbranche und im Flugzeugbau eingesetzt. So arbeitete Dr. Patrick J. Hanratty, der sogenannte „Father of CAD CAM“, eng mit General Motors zusammen.
3D und der Weg zum Personal Computer
In den Siebzigern wuchs das kommerzielle Interesse an 3D-CAD-Software, denn bisher wurde die Technologie hauptsächlich als präzise Unterstützung der zweidimensionalen Entwurfszeichnung genutzt. Die Leistungsfähigkeit der Computer stieg zunehmend und mit ihr auch die Möglichkeiten der Programme. Mit PADL (Part and Assembly Description Language) brachte Herb Voelcker eine Volumen-Modellierung auf den Markt, die nach und nach in diverse CAD-Programme einfloss. Ende der Siebziger ermöglichte das Datenformat Initial Graphics Exchange Specification (IGES), selbst komplexe 3D-Kurven und Oberflächen zwischen unterschiedlichen Programmen zu transferieren.
Der Start ins neue Jahrzehnt zeichnete sich technisch unter anderem dadurch aus, dass Minicomputer der Digital Equipment Corporation neue Standards in Preis und Performance setzten, auch im Hinblick auf CAD-Systeme. Parallel erschien das Betriebssystem Unix, durch das offen entwickelte System betraten neue Hardware-Anbieter den Markt und entwickelten eigene Workstations für die Wissenschaft und das Ingenieurwesen – diese Systeme waren auf CAD Software-Applikationen spezialisiert.
Auch die ersten Personal Computer wurden in den Achtzigerjahren gebaut, die erste CAD-Software stammte von Autodesk. AutoCAD war eines der ersten und erfolgreichsten CAD-Systeme, welches auf unterschiedlichen Betriebssystemen arbeiten konnte. Wegen der sinkenden Arbeitskosten und der immer besser werdenden Software setzte ein wahrer CAD-Boom ein. In die dritte Dimension konnten später auch kleinere Unternehmen vorstoßen, als auch die Hardware weiterentwickelt wurde.
Fortschritt bei LINDSCHULTE
Zugegeben, an der täglichen Arbeit der Ingenieure und Konstrukteure änderte sich faktisch wenig, denn das Vorgehen bei der Konstruktion blieb sehr ähnlich im Vergleich zum Zeichenbrett. Der große Vorteil von CAD waren schlichtweg sehr saubere und präzise Zeichnungen, die auch im Nachgang einfach angepasst werden konnten. Dennoch ist der Mensch ein Gewohnheitstier und so stieß die Einführung von Zeichenmaschinen anfangs bei den Mitarbeitenden von LINDSCHULTE auf einige Widerstände.
In den 90ern ging Heinrich Lindschulte einen großen Schritt: Er veranlasste, alle Zeichenbretter nach unten in den Keller zu bringen. Und das zahlte sich aus. Die Kollegen gewöhnten sich — zwangsläufig — an das Programm. Im Nordhorner Büro fanden sich bereits im Jahr 1996 einige der leistungsfähigsten CAD-Computer der damaligen Zeit. Sie lieferten pro Jahr die Pläne für rund drei Dutzend Brücken in ganz Deutschland, aber auch andere komplizierte Bauwerke und Konstruktionen „wuchsen“ förmlich auf dem Bildschirm. Die nächste Etappe in der technologischen Entwicklung bei LINDSCHULTE war genommen.